BAG-Urteil: Arbeitnehmer muss Überstunden begründen und darlegen
Mit seinem Urteil vom 14. Mai 2019 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) den EU-Mitgliedstaaten den Auftrag erteilt, die Arbeitgeber gesetzlich zu verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Der deutsche Gesetzgeber ist dieser Verpflichtung bislang nicht nachgekommen. Das Arbeitszeitgesetz wurde noch nicht angepasst.
Das Arbeitsgericht Emden gab erstinstanzlich der Klage eines Arbeitnehmers statt, der auf Überstundenvergütung klagte. Konkret handeltet es sich um einen Auslieferungsfahrer, dessen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit erfasst wurden, nicht jedoch die Pausenzeiten. Es ergab sich dadurch ein positiver Saldo von 348 Stunden zugunsten des Arbeitnehmers, der geltend machte, er habe während der gesamten aufgezeichneten Zeit gearbeitet. Er hätte keine Pausen nehmen können, da er ansonsten die Auslieferungsaufträge nicht hätte abarbeiten können. Der Arbeitgeber hatte dies bestritten.
Das Arbeitsgericht Emden begründete seine Entscheidung damit, dass sich der Arbeitgeber durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung Kenntnis über die Überstunden hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da der Arbeitgeber nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Arbeitnehmer dargelegt habe, sei die Klage begründet. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Klage des Arbeitnehmers hingegen ab, wogegen er sich an das Bundesarbeitsgericht (BAG) wandte.
Das BAG entschied nun jedoch im Sinne des Arbeitgebers (Urteil vom 4. Mai 2022, Aktenzeichen: 5 AZR 359/21). Das LAG habe richtig erkannt, dass der Arbeitgeber Überstunden anordnen beziehungsweise veranlassen muss. Die entsprechende Arbeitszeitrichtlinie diene der Regelung der Arbeitszeit zur Gewährleistung der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Hier handele es sich um eine Frage des Arbeitsschutzes und nicht um eine Frage der Vergütung. Der Arbeitnehmer hätte daher – wie bislang – hinreichend konkret darlegen müssen, dass es erforderlich war, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten und Überstunden zu machen, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des genauen Umfangs der Arbeiten genügte dafür nicht.
Den ursprünglichen Artikel finden Sie in der Juni-Ausgabe des VAA-Newsletters.